Soft Cell "Tainted Love"
Stellt Euch vor, ihr habt einen Hit – wisst aber gar nichts davon. Klingt unglaublich, ist aber wirklich passiert.
Stellt Euch vor, ihr habt einen Hit – wisst aber gar nichts davon. Klingt unglaublich, ist aber wirklich passiert.
Irgendwann in den frühen 70ern. Ein Schiff, das den atlantischen Ozean überquert hat, macht an einem Hafen in Großbritannien Station. Ein Matrose steigt vom Schiff - auf der Suche nach Zigaretten. Sein Problem: Er hat kein Geld und versucht deshalb, irgendetwas aus seinem Besitz für ein paar Glimmstängel einzutauschen. Der Seemann trifft auf einen jungen DJ, Richard Searling, der sich auf einen Deal mit ihm einlässt: Zigaretten gegen eine Platte.
Und so gibt der Matrose dem DJ eine Single. Darauf ein Song, der in Europa weitestgehend unbekannt ist. Einige Seeleute haben das Lied auf ihren Fahrten nach Amerika dort im Radio gehört - “Tainted Love” von der Soul-Sängerin Gloria Jones.
Gloria Jones wächst als Tochter eines Pfarrers auf. Kein Wunder also, dass sie streng christlich erzogen wird – und zwar so sehr, dass sie sich nicht einmal schminken darf, vom Küssen ganz zu schweigen. Dann wird sie 1964 von einem Produzenten entdeckt. Einer der Songs, den er für Gloria Jones vorgesehen hat, ist “Tainted Love”, also Verdorbene Liebe. Wegen ihrer streng gläubigen Erziehung ist ihr der Song zuwider. Doch man beruhigt Gloria Jones: Das Lied komme doch nur auf die B-Seite ihrer Single “My Bad Boy’s Comin’ Home”.
Gloria Jones nimmt den Song auf. Und ihr Produzent behält Recht: Kaum jemand interessiert sich für B-Seite - für die A-Seite allerdings auch nicht. Und damit hatte sich für die Sängerin die Geschichte von “Tainted Love” eigentlich erledigt – wenn, tja, wenn da eben nicht das Tauschgeschäft zwischen dem Matrosen und dem DJ gewesen.
Frühe 70er. Richard Searling ist zu diesem Zeitpunkt DJ in einem "Social Club". Diese "Social Clubs" gibt’s übrigens bis heute. Rein kommt nur, wer Mitglied ist – und das kostet. Das sorgt allerdings auch dafür, dass wirklich nur die Leute kommen, die sich dafür interessieren. Für Richard Searling passt der Sound von “Tainted Love” perfekt in die Nordenglische Clubszene der frühen 70er. Nordengland hat sich bis heute eine gewisse Eigenständigkeit bewahrt – auch in der Musik. Als Richard Searling die Platte von Gloria Jones auflegt sind die Leute direkt verrückt danach. “Tainted Love” wird das, was man einen Szene-Hit nennt.
Wer davon derweil gar nichts mitbekommt: Gloria Jones. Die verdient weit weg in den U.S.A. inzwischen ihr Geld als Backgroundsängerin für Elvis Presley. Nebenher schreibt sie Songs für die Supremes oder die Jackson Five.
Ein paar Jahre später. Die Plattenfirma Phonogram Records hat die Schnauze voll. Soft Cell, eine Band, die sie unter Vertrag haben, hat trotz mehrerer Anläufe immer noch keinen Hit gelandet. Jetzt geben sie Soft Cell noch genau eine Chance – entweder schaffen sie mit ihrer nächsten Single den Durchbruch – oder sie fliegen raus. Die Band besteht aus Marc Almond und Dave Ball. Die Briten haben sich während ihres Studiums in Leeds kennengelernt. Für ihre erste EP fehlt ihnen 1980 das Geld. Also muss Mama helfen. Dave Balls Mutter geht zur Bank und nimmt ein Darlehen von 2.000 Pfund auf. Damit produzieren die Jungs ihre EP “Mutant Moments”.
Und tatsächlich: Mamas Investition zahlt sich aus! Denn jetzt werden einige Plattenfirmen auf Soft Cell aufmerksam. Soft Cell fassen langsam Fuß in der Musikszene und veröffentlichen weiter fleißig Musik. Mit ihrem Song “Memorabilia” können sie einen Clubhit landen, der große Erfolg bleibt aber weiterhin aus.
Die beiden wissen, dass sie liefern müssen. Ihre nächste Single muss etwas ganz Besonderes sein. Und die Jungs sind sich gleich sicher: “Tainted Love” wird ihre Rettung. Der Song klingt genau nach dem, was sie brauchen. Ihr Cover versehen sie mit einem einerseits modernen und gleichzeitig warmen Sound. Eine Mischung, die bestens funktioniert - der Song wird ein großer Hit und hält sich unfassbare 100 Wochen in den US-Billboard Charts.
Und nicht nur mir gefällt die 80er-Version von Soft “Tainted Love” richtig gut - auch Gloria Jones ist begeistert. Sie mag die neue Version lieber als ihr Original. Gloria Jones findet nämlich, dass Soft Cell genau die Emotionen in den Song gepackt haben, die ihm noch gefehlt haben.
Der Sänger und Mitbegründer der Band, Marc Almond, begann übrigens nach der Auflösung von Soft Cell eine nicht minder erfolgreiche Solokarriere. David Ball startete eine eher experimentell ausgerichtete Solokarriere. Er arbeitet intensiv mit Genesis P. Orridge von Throbbing Gristle zusammen. Später veröffentlichte er in England auch einige Techno-Platten. Im Jahr 2003 fand Soft Cell erneut zusammen und veröffentlichte das Album "Cruelty Without Beauty". Die "Tainted Love"-Version von Marilyn Manson war 2001 bedeutend rockiger. Zudem gibt es Versionen von Max Raabe, The Flying Pickets und Flo Rida.
Jahr: 1981
Länge: 2:33
Album: Non-Stop Erotic Cabaret
Label: Polystar
Zu fast jedem großen Hit der 80s gibt es eine Geschichte. Und wenn jemand diese Stories kennt, dann Peter Illmann. Im Podcast erzählt er die spannendsten, unglaublichsten und schönsten Geschichten zu den 80s-Hits, die ihr liebt. Jede Woche gibt´s eine neue Folge - viel Spaß!
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