Wie ist "Dune" ohne Sting?
Der Kultfilm aus den 80ern wurde neu verfilmt. War das nötig?
Der Kultfilm aus den 80ern wurde neu verfilmt. War das nötig?
Als David Lynch 1984 den Film "Der Wüstenplanet" in die Kinos brachte, erwartete die Fans ein Feuerwerk. Egal ob es die ausufernden Produktionskosten, die aufwändige Musik oder die Besetzung der Rollen war: David Lynch kannte wenig Zurückhaltung. Toto und Brian Eno steuerten die Musik bei, Kyle MacLachlan, Jürgen Prochnow, Sean Young und Sting übernahmen Rollen. Der Film ist einer der großen Kultfilme der 80er geworden.
Der deutsche Titel "Der Wüstenplanet" ist verschwunden. Das Buch von Frank Herbert kann neue Interpretationen durchaus vertragen, da sind die Fans offen. Aber ist der neue Film von Denis Villeneuve tatsächlich ein Erkenntnisgewinn gegenüber dem Film aus den 80ern?
Vorab: für Musikfans ist der neue Film eher ein Reinfall. Der unsäglich-unauffällige Hans Zimmer war für den Soundtrack verantwortlich. Das muss nicht zwangsläufig eine akustische Katastrophe verursachen. Hans Zimmer dominiert seit Dekaden die Musik aus Hollywood, erst kürzlich hat er für "Wonder Woman 1984" eine nahezu geniale Version von New Orders "Blue Monday" ermöglicht. Aber Hans Zimmer steht für den absoluten Mainstream. Und gegen Toto und Brian Eno wirkt seine Musik herzlos.
Opulente Bilder, aufwändig in Szene gesetzt. Zudem lässt sich Denis Villeneuve auch viel Zeit mit der Erzählung, er nimmt alle Zuschauer mit, ohne dabei Kenner der Geschichte zu langweilen. Aber im direkten Vergleich der Filme kommt ausgerechnet Sting eine große Rolle zu.
Sting, der diesen Oktober 70 wird, übernimmt im 80er-Film eine Nebenrolle. Aber an dieser Nebenrolle kann man die Qualität der David Lynch-Verfilmung erkennen. Denn Sting spielt den durch und durch bösen Feyd-Rautha Harkonnen. Die Familie Harkonnen, das sind böse Leute, die den Wüstenplanet über Generationen als Kolonie geknechtet haben. Kaum soll es zu einer friedlichen Übergabe an die Familie Atreides kommen, greifen sie, zum Machterhalt, zu bestialischen Mitteln. David Lynch und Denis Villeneuve inszenieren diese Boshaftigkeit drastisch unterschiedlich. Während Denis Villeneuve die Mitglieder des Hauses Harkonnen als gewissenlose Zerstörer zeigt, sind sie bei David Lynch einfach Psychopaten. Im aktuellen Film sehen wir erhabene Szenen der Zerstörung. Man fühlt sich ab die Drohnenvideos von Kampfeinsätzen der US-Armee erinnert. Distanzierte Rücksichtslosigkeit zeichnet die Familie Harkonnen im Jahr 2021 aus.
Baron Vladimir Harkonnen, Glossu Rabban Harkonnen und Feyd-Rautha Harkonnen foltern und töten wie irre Barbaren. Sie baden im Blut und sind wahre Sadisten. Sting kommt dabei noch eine ganz perverse Rolle zu: als hedonistischer Sadist. Sein Auftritt ist verstörend. Aber die Aussage ist unstrittig: mit der Familie Harkonnen kann es keinen Frieden geben. Sting spielt seine Rolle an der Grenze zur Ironie, man möchte ihm ein Augenzwinkern unterstellen. Das macht den "Wüstenplanet" aus dem Jahr 1984 zum Meisterwerk: er nimmt sich teilweise nicht zu ernst und lässt dem Zuschauer Raum für eigene Fantasie.
Denis Villeneuve formuliert jede Szene aus. Da bleibt kein Platz für den Zuschauer. Das ist aber bei einem alten Buch ein Risiko. Denn Frank Herbert schrieb zu einer anderen Zeit. Ihm kam es nicht komisch vor, dass auch in 8000 Jahren noch immer die Männer regieren. Für Frauen bleibt nur der Ausweg in Geheimgesellschaften, die die Machtübernahme anstrebten. Das Geschlechterverhältnis bei Denis Villeneuve wirkt noch altbackener als bei David Lynch im Jahr 1984. Wenn man eine Vorlage aus dem Jahr 1965 zu wörtlich nimmt, wirkt das Ergebnis halt schnell ein bisschen aus der Zeit gefallen.
Frank Herbert hatte in den 60ern zumindest schon eine Ahnung, dass in der Zukunft künstliche Intelligenz, Vernetzung und Roboter eine große Rolle spielen könnten. Für seine Bücher hat er sich einen Trick ausgedacht, demnach kam es irgendwann zu einem Krieg zwischen Menschen und Maschinen. Die Maschinen wurden im Butlers Djihad besiegt und fortan in enge Schranken gewiesen. Daher gibt auch auf dem "Wüstenplanet" wenig Computer. 1984 konnte man sich eine derartige Zukunft der Menschheit sogar noch vorstellen, heute wirkt eine Zukunft ohne Putzroboter und autonomes Fliegen fast ein bisschen lächerlich.
"Dune" von Denis Villeneuve ist ein kommerzieller Erfolg, das hat er David Lynch voraus. Warner Bros. ist auf dem besten Weg die Ausgaben von 165 Millionen Dollar im Kino einzuspielen. Was unter Pandemie-Voraussetzungen einen echten Erfolg markieren würde. Schon Ende Oktober geht der Film dann in den USA in die weitere Verwertungskette auf HBO Max. "Dune" 2021: Wenig Risiko - viel Geld. Dann doch lieber ein wahnsinniger Sting.