Laura Branigan "Self Control"

Es sind die 12. American Music Awards. Die Verleihung der bedeutenden Musikpreise findet im Januar 1985 im Shrine Auditorium in Los Angeles statt. Die Creme de la Creme der Szene ist vor Ort: Von Hall and Oates über Tina Turner und Bruce Springsteen bis hin zu Prince.  

Moderiert wird die Veranstaltung von niemand Geringerem als Lionel Richie. Unter dem Jubel der Zuschauer bittet er Corey Hart und den Singer-Songwriter Stephen Stills auf die Bühne. Sie werden den Award in der Kategorie “Favorite Pop/Rock Female Video Artist” übergeben - also “Bestes Video eines weiblichen Artists”. Nach den Einspielern verkündet Corey Hart aufgeregt den Namen, der auf dem Zettel steht,... Es ist ... Cyndi Laaaaaauper! 

Tja, schön für Cyndi Lauper, schade für Laura Branigan. Denn die war für ihr Video zu “Self Control” nominiert. In der Bundesrepublik dachten damals viele, Laura Branigan sei eine Newcomerin, die leider leer ausging. Doch tatsächlich war sie in Amerika schon seit mehreren Jahren ein großer Star... 

Laura Ann Branigan wird 1952 in New York geboren. Schon früh fällt sie durch ihr musikalisches und schauspielerisches Talent auf. In ihrem Abschlussjahr an der High School übernimmt sie eine Rolle im Musical “The Pajama Game”. Spätestens jetzt ist klar: Die Frau hat eine tolle Stimme – ein Talent, die wird bestimmt mal ganz groß. Stimmt, aber bis dahin würde es noch dauern ... 

Anfang der 70er gründet Laura Branigan mit ein paar anderen Musikern die Folk-Rock-Band Meadow. Doch ihr Album wird kein Erfolg. Dann begeht Gitarrist Walker Deniels Selbstmord. Ein schwerer Schlag für die Sängerin. Sie beschließt, in der Öffentlichkeit nie wieder ein Wort über Meadow zu verlieren. Ein paar Jahre später wird Laura Branigan Backgroundsängerin für die Europa-Tour der kanadischen Singer-Songwriter-Legende Leonard Cohen. Und dann, 1979, unterschreibt sie endlich ihren ersten, eigenen Plattenvertrag bei Atlantic Records. 

Das Problem ist nur: Zunächst weiß ihre Plattenfirma nicht, wie sie Laura Branigan vermarkten sollen. Denn ihr Sound passt in keine der üblichen Schubladen. Wie soll man ihre Musik nur beschreiben? Funk, Soul, Pop... oder vielleicht doch Rock? Ihre ersten drei Singles verbuchen wir eher unter... ferner liefen. Doch dann – im März 1982 – erscheint ihr erstes Solo-Album “Branigan”... und die Rakete startet. Vor allem dank “Gloria”.

“Gloria” von Laura Branigan wird vor allem in den USA Kanada und Australien ein Hit. In der Bundesrepublik... nicht. Das gilt übrigens auch für diese Songs von ihrem zweiten Album. Auch wenn Ihr die Songs heute wahrscheinlich kennt. “Solitaire” und “How Am I Supposed To Live Without You” waren damals Hits... aber nicht bei uns. In Deutschland und Europa nimmt kaum jemand Notiz von der Sängerin. Doch das würde sich durch einen Mann namens Raffaele Riefoli schlagartig ändern. 

Raffaele Riefoli lebt auf der anderen Seite des Ozeans und stammt aus “Bella Italia”. Seine Karriere ist allerdings alles andere als “Bella”. Aufgewachsen im malerischen Florenz, siedelt er mit Anfang 20 nach London um. Denn Raf, wie er sich selber nennt (teilweise auch Raff), ist Songwriter und will ebenfalls als Künstler erfolgreich werden. Er ergattert einen Plattenvertrag, allerdings “nur” für Europa. Denn Raf ist noch ein unbeschriebenes Blatt, und das Label will den unbekannten jungen Mann nicht auf den internationalen Markt werfen. Deshalb bietet er zusammen mit seinen beiden anderen Songwritern über ihren Musikverlag einen Song seinen Debüt-Albums für den amerikanischen Markt an. Der Name des Tracks: “Self Control”.

Als Laura Branigan das Lied zum ersten Mal hört, weiß sie sofort: Das will sie singen. Produzent Jack White verpasst dem Song einen anderen Sound. Aus der Italo Disco-Nummer wird ein geheimnisvoller, düsterer Pop-Song - neu arrangiert unter anderem von einem gewissen Harold Faltermeyer. 

Der Song landet auf Laura Branigans drittem, gleichnamigen Studioalbum. Und damit nicht genug: Am 4.Juni 1984 wird er als Single ausgekoppelt – und wird ein unglaublicher Erfolg - allein in 12 Ländern geht er auf die Eins.  Zeitgleich stürmt die Version von Raf, die am selben Tag erschienen ist, im Windschatten von Laura Branigans Erfolg ebenfalls die Charts. Der Song geht auf die 2 in der Bundesrepublik. Was ihn von der Spitze trennt: Laura Branigans Coverversion seines eigenen Songs – der steht nämlich auf der 1. 

Absurderweise muss sich Raffaele Riefoli plötzlich Plagiatsvorwürfe gefallen lassen. Wie unverschämt, einfach zeitgleich eine eigene Version des Songs von Laura Branigan veröffentlichen! Doch Laura Branigan klärt zum Glück ganz schnell auf, dass er das Original geschrieben hat. 

Am Ende sind wohl alle Beteiligten zufrieden: Raf, denn der bekam ja für Laura Branigans Version Tantiemen – und ebenso für die vielen weiteren Coverversionen, die über die Jahre entstanden sind. Und Laura Branigan – auch ohne Preis für das beste Video – weil ihr Cover der größte Hit in ihrer Karriere und ein ganz großer 80s-Klassiker wurde... 

Jahr: 1984
Länge: 3:54
Label: Atlantic