OMD "Maid Of Orleans"
Wenn es um die Entstehung dieses Liedes geht... ich verspreche Euch – je mehr ihr darüber erfahrt, desto verrückter wird es. Denn OMD wollten nie, dass der Song ein Hit wird.
Wenn es um die Entstehung dieses Liedes geht... ich verspreche Euch – je mehr ihr darüber erfahrt, desto verrückter wird es. Denn OMD wollten nie, dass der Song ein Hit wird.
Andy McCluskey und Paul Humphreys spielten schon zu Schulzeiten zusammen in verschiedenen Gruppen. Dabei teilten sie eine Abneigung: Sie hassten gitarrengetriebenen Rock mit der für die 1960er Jahre typischen Macho-Attitüde.
Stattdessen mochten sie elektronische Musik. Ihr großes Vorbild: die deutsche Band Kraftwerk. 1978 gründeten sie zusammen mit einigen Musikern aus vorherigen Bandprojekten OMD - Orchestral Manoeuvres in the Dark - Orchestrale Manöver in der Dunkelheit. Ihre erste Single "Electricity".
Kommerziell ein Flop, erhielt der Song viel Aufmerksamkeit in der aufkeimenden Synth-Pop-Bewegung. Sie ergatterten einen Vertrag für gleich sieben Alben beim Label Dindisc im Wert von 250.000 Pfund – damals ein unglaublicher Betrag!
Und nicht nur ein Label, sondern auch ein anderer Musiker wird auf OMD aufmerksam: Gary Numan. Er ist damals ein Dauergast in den britischen Top Ten mit Liedern wie "Are 'Friends' Electric?" oder “Cars”.
Er fördert die Jungs und nimmt OMD als Vorband mit auf Tour. "Gary war sehr gut zu uns", erinnern sich Orchestral Manoeuvres in the Dark rückblickend. Und ab jetzt geht es steil nach oben. Mit Songs wie “Souvenir” und “Enola Gay” landen OMD ebenfalls Hits.
Als sie durch Frankreich touren, witzelt irgendjemand, dass das ihre „Joan of Arc“-Tour sei, also ihre „Johanna von Orleans“-Tour. Das wiederum macht Frontmann Andy McCluskey neugierig. Denn er interessiert sich sehr für Geschichte, vor allem, wenn sie irgendwie mit Religion zu tun hat. "Ich mag Jeanne d'Arc als historische Figur, weil niemand wirklich etwas über sie weiß", verrät Andy McCluskey im Interview.
Was über sie bekannt ist: Johanna führte mit 17 Jahren die Franzosen im Krieg gegen die Engländer an. Doch dann wurde sie an die Engländer ausgeliefert. 1431 starb sie, als Ketzerin zum Tode auf dem Scheiterhaufen verurteilt.
Noch während der Tour besorgt sich Andy McCluskey Literatur über die heilige Johanna und schreibt einen Song über sie. Und weil ihm das Ergebnis nicht gefällt, schreibt er gleich einen zweiten hinterher und nennt ihn „Joan of Arc“. Andy McCluskey gefällt die Idee, das Lied genau 550 Jahre nach ihrem Tod zu veröffentlichen. Der Song landet auf ihrem Album "Architecture & Morality" - und die Single schafft es in die Charts:
Nachdem Andy McCluskey mit OMD den Song eingespielt hat, gestehen ihm seine Bandkollegen: „Naja, das Lied ist wirklich gut, aber das andere, das erste Lied über Johanna, das war irgendwie … besser.“
Andy McCluskey ist überrascht. Denn dieses erste Lied mochte er nicht besonders. Es war seiner Meinung nach viel zu kurz geraten und dem Track fehlte die Kraft. Er hielt den Song für „Rubbish“, für Müll, und hatte sich eigentlich schon von ihm verabschiedet. Doch dann ließ er sich überreden, noch einmal an dem Werk herumzuspielen und ihm vor allem ein längeres Intro zu verpassen.
Und jetzt muss ich zugeben, dass ich beim Treffen mit ihrer Plattenfirma wahnsinnig gerne Mäuschen gespielt hätte. Stellt Euch den Moment vor, an dem sie den Labelchefs verkünden: „Hey, wir haben doch dieses Lied über Johanna von Orleans geschrieben … Überraschung: Wir haben noch ein zweites!“ Oder als sie das Intro zum Song vorgespielt haben, mit dem sie das Lied verlängerten. Viele kennen es vermutlich gar nicht, weil es im Radio entweder stark gekürzt oder einfach ganz übersprungen wird – und das aus nachvollziehbaren Gründen. Sie verwendeten ein Mellotron, ein kaum bekanntes Tasteninstrument, das als analoge Urform des Samplers gilt. Und sie ließen es wie einen Dudelsack klingen… Und als ob das noch nicht reichen würde, verwendeten sie den 6⁄8-Takt, der in älteren Walzer-Kompositionen genutzt wurde. Ach ja, und hatte ich schon die an Militärmusik erinnernden Trommeln erwähnt? OMD verteidigten das Intro gegen diese Kritik später auf der eigenen Homepage:
"Das Intro war ein Problem für die Radiomacher. Aber wir wollten keinen Radio-Remix anfertigen. Das Intro war auch eher ein Zufall, weil die ersten Fassungen keinen richtigen Anfang hatten, griffen wir auf unsere alten Soundexperimente zurück. Wir suchten eine Intro, die den Zugang zum Song erleichtern würde und eine Stimmung aufbauen könnte, die dem Inhalt gerecht werden würde. Wir hatten keine konkreten Assoziationen bei diesen ersten 35 Sekunden von Maid Of Orleans, aber für uns passt das so."
Versteht mich nicht falsch, „Maid of Orleans“ von OMD ist ein großartiger Song, aber seine einzelnen Komponenten erscheinen doch eher für ein Kunstprojekt geeignet – für einen Song mit Ambitionen, die Charts zu stürmen ist das alles wohl eher... gewöhnungsbedürftig.
Ich muss fairerweise dazu erwähnen, dass Andy McCluskey und Paul Humphreys irgendwann verstanden hatten, dass sie bei Dindisc einen wirklich schlechten Vertrag unterschrieben hatten. Denn trotz ihrer durchaus beachtlichen Erfolge verdienten sie so gut wie gar kein Geld. In einem Interview mit Record Mirror gab Andy McCluskey damals ganz offen zu: „Ich will keine britische Nummer Eins werden. Das wäre das Ende, ich würde durchdrehen.“.
Vielleicht waren Orchestral Manoeuvres in the Dark deshalb so von der Idee begeistert, bei der den Herren Plattenbossen endgültig die Hutschnur platzen sollte. Denn nach ihrer Single „Joan of Arc“, wollten sie, dass auch das zweite Lied über Johanna von Orleans ausgekoppelt wird – und zwar unter dem exakt gleichen Titel – also wieder als „Joan of Arc!“.
Man stelle sich allein das Chaos bei den Radiomoderatoren vor: „Und nach ihrer letzten Single ‚Joan of Arc‘ hier der neue Song von OMD namens ‚Joan of Arc‘…“ Die Jungs von OMD fanden die Idee irre witzig, geradezu spektakulär – im Gegensatz zu ihrer Plattenfirma. Die erklärte die Jungs schlichtweg für verrückt und war sich sicher, dass sie einen Knall haben mussten. Was den Titel angeht, schafft die Plattenfirma immerhin einen Kompromiss. Anstelle der irrwitzigen Idee mit dem identischen Namen, wird der Song „Maid of Orleans“ getauft - in Klammern „The Waltz Joan of Arc“.
Bei allem anderen setzen sich OMD durch. Und so erscheint der Song am 15. Januar 1982. Und dann geschieht etwas, tja, dafür kann man die Popmusik-Welt einfach nur lieben!
Denn das Lied mit dem uncoolen Thema „Johanna von Orleans“ - dass auch schon das zweite der Band ist, mit dem komischen Intro und den seltsamen Instrumenten wird entgegen aller Erwartungen ein Hit – und was für einer!
Top 10 quer durch Europa, Nummer Eins in Spanien, Belgien, Neuseeland und bei uns in Deutschland, wo der Song zudem die meistverkaufte Single des Jahres wird. Die Presse jubelt, nennt den Song „episch“, „eine herzzerreißende Ballade“ und das Deutsche Museum kürt ihn zu einem der „Meisterwerke des Synth-Pop“ …
Und Andy McCluskey? Der musste trotz des Erfolgs am Ende nicht durchdrehen. Denn der Song wurde ausgerechnet in Großbritannien keine Nummer Eins, sondern schaffte eine solide 4 ….
Jahr: 1982
Länge: 3:18
Album: Architecture & Morality
Label: CBS
Zu fast jedem großen Hit der 80s gibt es eine Geschichte. Und wenn jemand diese Stories kennt, dann Peter Illmann. Im Podcast erzählt er die spannendsten, unglaublichsten und schönsten Geschichten zu den 80s-Hits, die ihr liebt. Jede Woche gibt´s eine neue Folge - viel Spaß!
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