Prince "Kiss"
Kennt ihr die Band Mazarati aus Minneapolis? Wenn nicht, kennt ihr aber bestimmt ihren größten Hit, den sie nie veröffentlichen durften: Kiss. Pop-Gott Prince hat ihnen den Song nicht gegönnt.
Kennt ihr die Band Mazarati aus Minneapolis? Wenn nicht, kennt ihr aber bestimmt ihren größten Hit, den sie nie veröffentlichen durften: Kiss. Pop-Gott Prince hat ihnen den Song nicht gegönnt.
Chanhassen, eine kleine Stadt vor der Metropole Minneapolis in den USA. Mitte der 80er kennt kaum jemand den Ort, keine 10.000 Menschen leben hier. Doch das würde sich schon bald ändern. Denn hier entstehen die Paisley Park Studios, die 1987 offiziell eröffnet werden. Heute kann man Touren durch den legendären Komplex buchen.
Damals herrschte schon vor der Eröffnung geschäftiges Treiben – die beauftragte Firma Boto Design war mit dem Studiobau beauftragt – kein normaler Deal Mitte der 80s - und auch kein normaler Auftraggeber. Denn der Hausherr – ein gewisser Prince Rogers Nelson – konnte 1984 mit seinem Purple Rain-Album seinen großen Durchbruch feiern. Das Werk ging in Amerika auf die Eins und hielt sich unglaubliche 166 Wochen in den Charts. Und dazu landete er seine ersten Nummer-1-Singlehits in seiner Heimat mit “Let´s go crazy”.
Prince ist damals auf dem Zenit seines Erfolgs. Gerade seine Live-Konzerte sind damals absolut legendär. Ich habe leider nie eines seiner Konzerte gesehen. Ich hatte sogar mal Karten für einen Gig von ihm in München, im Parkcafe, so eine Art Geheimkonzert. Und weil ich nicht ganz glauben konnte, dass das wirklich stimmte, bin ich damals nicht hin. Blöd nur, dass das Gerücht tatsächlich wahr war. Heute ärgere ich mich natürlich schon sehr….
Unentwegt bastelt der Workoholic Prince also an neuen Ideen, zupft an der Gitarre, probiert Basslinien aus, steht an den Drums, singt in ein kleines Tonbandgerät. Prince war bekannt dafür, am liebsten alle Instrumente selbst zu spielen und die volle Kontrolle zu haben.
Um ihn herum entsteht damals aber auch eine ganze Musik-Fabrik. So gehen auch die Mitglieder seiner Begleitband The Revolution oder Sheila E. schon bald in den Paisley Park Studios ein und aus.
Eines Tages kommt der Bassist von The Revolution auf Prince zu. Er hat ein paar eigene Ideen, möchte seine eigene Band gründen. Der Mann heißt Mark Brown, nennt sich aber Brown Mark – seine Band soll Mazarati heißen. Prince nimmt sein Projekt unter Vertrag. Denn Brown Mark ist kein Unbekannter – er arbeitet schon seit fünf Jahren für seinen Chef, kam direkt nach der Highschool in seinen Dunstkreis.
Brown Mark fragt Meister Prince mitten in einer Session, ob er für das Mazerati-Debütalbum einen Song beisteuern will. Kurzerhand unterbricht Prince seine Arbeit, schnappt sich ein Mini-Tonbandgerät, spielt eine bluesige Akustiklinie ein und singt dazu. Das Demo ist gerade mal eine Minute lang. Eine Strophe, ein schlichter Refrain und eine Akustikgitarre – bitte schön, viel Spaß damit.
Prince steckt damals mitten in den Aufnahmen für sein Album "Parade". Er steht gehörig unter Druck. Denn nach dem Erfolg von "Purple Rain" war er zwar auch mit "Around The World in A Day" in den USA auch erfolgreich, aber außer der Single "Rapsberry Beret" hatte Prince keinen echten Hit mehr.
Tja … und dann ereignet sich in den Sunset Sound Studios in Kalifornien ein kleiner Skandal. In Studio Nummer 3 spielt Prince Songs für das neue Album "Parade" ein. Nebenan in Studio 2 werkeln die Jungs von Mazarati an ihrem Debüt – und damit auch an dem einminütigen Track, den Prince für ihr Album zugeliefert hatte. Der Song hatte eine erstaunliche Entwicklung gemacht: Zu der schmalen Akustik-Skizze von Prince kommt Piano-Part dazu, Producer David Z. bastelt einen fetten Beat am Synthesizer und plötzlich klingt das Ganze nach einem absolut funkigen Brett!
Ich weiß nicht, ob es zufällig in einer Aufnahme-Pause geschah oder ob die Jungs von Mazarati Prince vielleicht ganz stolz ins Nachbarstudio eingeladen haben, um ihm zu zeigen, was aus seiner Vorlage geworden ist. Als Prince die Ausarbeitung hört, weiß er sofort: Den Track muss ich zurückhaben, der muss auf mein "Parade"-Album!
Als Trostpflaster verspricht Prince den Musiker-Kollegen wenigstens die Songwriting-Credits – das ist wichtig, weil sie damit ein schönes Sümmchen verdienen würden.
Brown Mark sagte dazu in einem Interview: "Das Ganze klang für mich nach einem guten Geschäft". Trotzdem hatte er die undankbare Aufgabe, die schlechte Nachricht an seine Bandkollegen weiterzugeben. Ihr könnt euch vorstellen, dass die wenig begeistert waren: Sie reagieren wütend und verärgert.
Prince hält das nicht auf: Er singt den Text noch einmal neu ein, fügt den markanten Gitarren-Part im Refrain hinzu – und schon ist der Song fertig, gerade noch rechtzeitig, um auf seinem "Parade"-Album zu landen.
Tja, falls ihr zufällig noch die Single von damals in Eurer Plattensammlung habt, dann holt sie mal aus dem Regal. Ich habe mir das Vinyl noch mal angeschaut, um es mit eigenen Augen zu sehen: Bei "Kiss" steht wörtlich: "Arranged by David Z. – Background-Voice by Mazarati". Aber kein Wort zu den versprochenen Songwriting-Credits.
Brown Mark besteht bis heute darauf, einen Teil des Songtexts geschrieben zu haben. Ihr erinnert Euch: Das Demo bestand nur aus der Anfangsstrophe und dem Refrain. Und irgendjemand muss ja wohl die übrigen Strophen verfasst haben…
Jedenfalls: Brown Mark und die Band sahen angeblich keinen einzigen Cent. Kein Wunder, dass der The Revolution-Bassist kurz darauf den Paisley-Park-Hof verließ und eigener Wege ging.
Auch wenn das echt keine gute Aktion von Prince war, eines muss ich ihm lassen: Er hatte den richtigen Riecher! "Kiss" wurde seine dritte US-Nummer 1, für den New Musical Express war es die beste Single des Jahres 1986 und einen Grammy für die beste Vocal-Performance gab´s noch obendrauf.
Und was ist mit Mazarati? Tja, ich hatte Euch ja schon zu Anfang gefragt, ob ihr die Band kennt. Und wenn Eure Antwort "nein" war, müsst ihr Euch überhaupt nicht schämen. Denn um es kurz zu machen: Aus Mazarati wurde nicht viel. Vom Album der Band nahm kaum jemand Notiz, es kam nicht in die Charts und auch das Nachfolge-Album fand kaum Anklang. Und so ist Mazarati bis heute vor allem als die Band bekannt, die einen Hit hatte, den sie nicht veröffentlichen durfte.
Rückblickend frage ich mich natürlich schon irgendwie, ob Prince wegen Kiss ab und zu mal das schlechte Gewissen plagte? Das hat er uns leider nie verraten – und wir werden es auch nicht mehr erfahren.
Jahr: 1986
Länge: 3:38
Album: Hits 2
Label: Warner Bros. Records
Zu fast jedem großen Hit der 80s gibt es eine Geschichte. Und wenn jemand diese Stories kennt, dann Peter Illmann. Im Podcast erzählt er die spannendsten, unglaublichsten und schönsten Geschichten zu den 80s-Hits, die ihr liebt. Jede Woche gibt´s eine neue Folge - viel Spaß!
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