Rio Reiser "König von Deutschland"
Wie "König von Deutschland" für eine Werbekampagne ausgeschlachtet wurde – und warum Fans und Rio Reisers Familie sich lautstark dagegen gewehrt haben, hört Ihr in dieser Folge.
Wie "König von Deutschland" für eine Werbekampagne ausgeschlachtet wurde – und warum Fans und Rio Reisers Familie sich lautstark dagegen gewehrt haben, hört Ihr in dieser Folge.
Keine Frage: Peter Möbius muss im November 2006 richtig sauer gewesen sein. Denn der Mann setzt sich an seinen Computer und verfasst eine Stellungnahme. Darin beklagt er die Verwendung des Songs „König von Deutschland“ von Rio Reiser für eine große Elektronik-Handelskette.
Er findet es furchtbar, dass das Lied als eine Fünf Sekunden-Werbemelodie für – Zitat – „eine billige Handelskette“ verwendet wird.
Okay, klar, jetzt könnt ihr denken: Kann ja sein, dass der Mann sich aufregt … aber wer ist Peter Möbius?
Tja, er ist der Bruder des 1996 verstorbenen Rio Reiser, der mit bürgerlichem Namen Ralph Möbius hieß. Und der Bruder macht sich Sorgen um Rio Reisers musikalisches Erbe.
Berlin Anfang der 1970er. Der West-Teil der geteilten Stadt entwickelt sich zur Enklave für viele, die dem konservativen Klima Westdeutschlands entfliehen wollten - Künstler, Intellektuelle und politische Aktivisten.
In diesem Klima der Rebellion und des kulturellen Aufbruchs gründet Rio Reiser zusammen mit drei weiteren Musikern Ton Steine Scherben.
Bei ihrem ersten Live-Auftritt auf einem Festival machten sich die Veranstalter einfach so aus dem Staub, ohne die Band zu bezahlen. Rio Reiser soll das Publikum daraufhin angestachelt haben, es ihnen heimzuzahlen. Nach dem dritten Lied brannte das Organisationsbüro des Festivals, nach dem fünften Song die ganze Bühne ab.
Ton Steine Scherben wird schnell zum Sprachrohr der außerparlamentarischen Opposition und der Teil der linken Szene in Deutschland. In ihren Texten spiegelt sich der Zeitgeist und die Unzufriedenheit mit den herrschenden sozialen und politischen Verhältnissen wider. Songs wie "Macht kaputt, was euch kaputt macht" werden für ihre Fans zu Hymnen… Ihr Sound und ihre Texte sind eine Kombination aus Wut, Hoffnung und dem dringenden Wunsch nach sozialer Veränderung.
Doch: Die Zeiten ändern sich – und die Musik und die politische Stimmung im Land auch. 1985 löst sich die Band Ton Steine Scherben auf. Trotz Tourneen und Albumveröffentlichungen hatte sich ein hoher Schuldenberg angesammelt.
Rio Reiser macht solo weiter. Er ist zu dieser Zeit Mitte 30 und eigentlich nicht mehr im klassischen Popstar-Alter. Egal. Er unterschreibt einen Plattenvertrag, diesmal nicht bei einem kleinen Indie-Label, sondern bei CBS. Ein Jahr später kommt das erste Solo-Album heraus, darauf zum Beispiel das herrlich schön-schnulzige „Junimond“…
…und eben „König von Deutschland“. Das Lied entstand bereits 1975 während der Ton Steine Scherben-Zeit – damals mit anderem Strophentext und trifft jetzt den Nerv der Republik und wird zum Hit.
Rio Reiser wird zu einem Massenphänomen. Seine Songs werden mehrfach gecovert, im Radio gespielt und dann ist da ja noch das riesige Label, bei dem er unter Vertrag ist…
Vor allem Fans aus frühen Tagen sprechen von einem Ausverkauf. „Es gibt Schlimmeres als eine Kunsthure zu sein“, entgegnet Rio Reiser.
Der Song, in dem sich Rio Reiser ausmalt, was er machen würde, wenn er „Kanzler, Kaiser, König oder Königin“ wäre, wird über die Jahre genau das, was er sich für sein Werk gewünscht hatte: ein Gassenhauer, den jeder mitsingen kann. Es wird mehrfach gecovert, als Wahlkampf-Lied verwendet oder eben… in der Werbung eingesetzt.
„Sau billig – und noch viel mehr!“ So wirbt eine große deutsche Handelskette für Elektronik. Im Werbespot spielt ein kleines rosa Schwein eine große Rolle, es posiert lachend in einer Kühltruhe oder zeigt sich in einem Meeting mit den besten Ideen. Beworben werden Kühlschränke, Fernseher oder Waschmaschinen – und immer geht es um den günstigsten Preis. „Sau billig“ ist nicht nur der neue Slogan, sondern auch die Art, wie das Unternehmen den Song von Rio Reiser einsetzt – mit Erlaubnis seines Labels, das die Rechte an dem Werk besaß.
„Die größte Sauerei des Jahres“, heißt es auf der Website seiner ehemaligen Band. Im Grabe würde sich der inzwischen verstorbene Rio Reiser umdrehen, wenn er wüsste, was mit seinem Song geschieht. Der wird nämlich im TV gespielt. Auch Rio Reiser-Fans sind sauer und ebenso sein Bruder Peter Möbius, der daraufhin eine öffentliche Stellungnahme verfasst.
Das da zwei Sachen gar nicht zusammenpassen – nämlich der Anti-Kapitalist Rio Reiser und das durch und durch kapitalistische Ansinnen, möglichst viel Kohle mit dem Verkauf von Elektronikartikeln zu machen –, das sieht die andere Seite gar nicht problematisch. „Der Song ist fetzig, hat einen hohen Wiedererkennungswert und hebt sich vom Werbeeinerlei ab“, so die Werbeleute.
Als Versöhnungsangebot hat das Unternehmen dann angeboten, die Musik von Ton Steine Scherben in ihren Märkten zu bewerben. Aber auch das hat weder die Band noch Peter Möbius milde gestimmt. Er schloss sein öffentliches Statement vom November 2006 mit der Hoffnung, dass durch die Werbung die Menschen verstehen, dass sowohl Rio Reiser als auch die Band mehr zu bieten haben als eine Fünf-Sekunden-Werbemelodie für eine billige Handelskette.
Zu fast jedem großen Hit der 80s gibt es eine Geschichte. Und wenn jemand diese Stories kennt, dann Peter Illmann. Im Podcast erzählt er die spannendsten, unglaublichsten und schönsten Geschichten zu den 80s-Hits, die ihr liebt. Jede Woche gibt´s eine neue Folge - viel Spaß!
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Das Podcast & Musikradio von 80s80s: die wichtigsten Hits der 80s und ihre Geschichten, erzählt von Peter Illmann.