Vor 41 Jahren düste "Codo" im Sauseschritt in die Charts
Im Juli 1983 schwappte ein Song aus Österreich nach Deutschland über, der dann zu DEM Sommerhit des Jahres werden sollte. „Codo“ hieß die Nummer, den das Projekt DÖF produziert hatte.
Im Juli 1983 schwappte ein Song aus Österreich nach Deutschland über, der dann zu DEM Sommerhit des Jahres werden sollte. „Codo“ hieß die Nummer, den das Projekt DÖF produziert hatte.
Die Neue Deutsche Welle war 1983 noch nicht zu Ende, hatte aber ihren Höhepunkt bereits überschritten und nur noch wenige Akteure aus dieser Ära ritten sie weiter. Annette Humpe und ihre sechs Jahre jüngere Schwester Inga Humpe gehörten zu den Protagonisten der NDW. Bands wie die Neonbabies und vor allem Ideal zählten in der Musikrichtung zu den Schwergewichten.
Seit dem Frühjahr 1983 waren Ideal aber Geschichte. Annette Humpe hatte aber bereits neue Ideen und auch Schwester Inga Humpe war nicht abgeneigt, wieder musikalisch aktiv zu werden. Annette hatte sich als Produzentin dem österreichischen Kabarettisten- und Musiker-Duo Josef Prokopetz und Manfred Tauchen angenommen, das in ihrer Heimat vor allem durch Kleinkunst und bisher weniger durch Popmusik schon einen Namen hatte.
Unter Tauchen-Prokopetz wurde im Frühjahr 1983 ein Album produziert, aus dem am 1. Juni in Österreich die Single "Codo-Düse im Sauseschritt" ausgekoppelt wurde. Eine Science-Fiction-Parodie, mit einem simplen Text, wobei die Musik eine Mischung aus NDW, Pop und Schlager ist.
Wer "Codo" ist, blieb immer nebulös. Von Josef Prokopetz wurde die Figur als Abkürzung eines Cosmischen Dolms oder Deppen bezeichnet. Ein plastisches Bild zu "Codo" gab es aber nie, es blieb ein Neutrum. Warum Annette Humpe bei dem Projekt ins Boot geholt wurde und wie dann auch noch Inga Humpe dazukam, dafür gibt es bisher keine Überlieferungen. Denn erst später wurde das Projekt Tauchen-Prokopetz in DÖF umbenannt, was als Abkürzung für Deutsch-Österreichisches Feingefühl steht und laut einer Spiegel-Ausgabe von 1983 eine Anspielung auf die zeitgleich in der NDW erfolgreiche Band Deutsch Amerikanische Freundschaft (DAF) anspielen sollte. Eine Deutsch-Österreichische Freundschaft bereitete aber wohl einigen wenige Jahrzehnte nach dem 2. Weltkrieg noch Bauchschmerzen, so dass das sinnfreie Wort Feingefühl verwendet wurde. Was das Feingefühl konkret sein sollte, blieb unbekannt.
Am 4. Juli 1983 kam DÖF und sein "Codo" auch in die deutschen Plattenläden und sollte sich schnell zum Sommerhit des Jahres entwickeln.
Annette Humpe hatte schon bei Ideal ein Händchen für eingängige Melodien gehabt, die Stimme von Schwester Inga Humpe, ein witziger Text und die beiden Charaktere von Prokopetz und Tauchen waren zwar kein Garant für Erfolg, aber gute Voraussetzungen. Nachdem "Codo" schnell Einzug in die Rotationen der deutschen Radiostationen gefunden hatte und die Plattenverkäufe rasant nach oben gingen, wurden Ende des Monats auch die Hitparade mit Dieter Thomas Heck im ZDF und die neue Musiksendung Formel 1 mit Peter Illmann auf DÖF aufmerksam.
Die Popularität von "Codo" stieg vor den Augen eines Millionen-Publikums schnell weiter, erklomm wenig später die Spitze in der ZDF-Hitparade, bei der die Zuschauer per Ted abstimmen konnten. "Codo" von DÖF war zum Sommerhit geworden. Selbst kleine Kinder, wobei vielen das anfängliche Schreien im Lied von Prokopetz und der Gesang und die auf Böse gemachte Optik Tauchens sicher Unbehagen bereitete, konnten das „…düse, düse, düse, düse im Sauseschritt….“ mitsingen, es ging einem nicht mehr aus dem Kopf.
Ob der auch für damalige Verhältnisse warme und sonnenreiche Sommer den Erfolg des Liedes noch beschleunigte, ist Spekulation. In den vollen Freiluft- und Schwimmbädern und an den Stränden, überall war "Codo" der meistgespielte Song aus den Radios und Lautsprechern. Bis Ende Oktober blieb DÖF mit seinem Weltraum-Liebeslied in den deutschen Charts, davon fünf Wochen auf Platz 1.
Was im Westen Deutschlands damals nur ganz wenige wussten, die Produzenten von "Codo" hatten ein Vorbild zu ihrer Produktion und das war ausgerechnet mitten im Kalten Krieg in der DDR entstanden. Der im Osten Deutschlands sehr bekannte Komponist und Sänger Holger Biege hatte 1979 für seinen Bruder, den Sänger Gerd Christian, den Schlager "Küss mich und lieb mich" geschrieben. Der Song selbst war kein ganz großer Erfolg in der DDR, aber DÖF-Produzentin Anette Humpe musste ihn gehört haben und nutzte Passagen daraus für die Melodie von "Codo".
Nun flüchtete Autor Holger Biege 1983 in die Bundesrepublik und beim Hören von "Codo" von DÖF stellte er fest, dass Anette Humpe sich offenbar bei ihm bedient hatte. Nicht nur dass, die "Codo"-Komponistin soll sich auch noch über ihn lustig gemacht. Nach dem Motto: Er kann vom Osten aus gegen das Plagiat so oder so nichts machen. Da Holger Biege nun aber im Westen lebte, kam es zum Rechtsstreit. In erster Instanz bekam der frühere DDR-Komponist auch Recht, nach einer Berufung lehnte er weitere Forderungen aber ab.
"Codo" war sowohl musikalisch, als auch kommerziell, ein großer Erfolg für alle Beteiligten. DÖF war plötzlich im deutschsprachigen Raum bekannt und gefragt. Trotzdem war der Erfolg von "Codo" für das Trio nicht nachhaltig. Noch während "Codo" in den deutschen Charts war, wurde die Nachfolge-Single "Taxi" herausgebracht. Obwohl das Lied, das an den Gesang der Band EAV erinnert, in Österreich bis auf Platz 2 kam, floppte die Single trotz Fernsehauftritten in Deutschland und kam in den Charts hier nur auf einen hinteren Platz. Vielleicht fand das Lied, in Wienerisch gesungen, in Deutschland einfach keinen Anklang. Bei Auftritten waren Prokopetz und Tauchen zudem ohne Inga Humpe am Start.
DÖF löste sich nie offiziell auf. Zwar gab es 1984 noch einmal eine Singleauskopplung, aber die schaffte es nur in Österreich in die Top 20. Danach war das Projekt DÖF quasi beendet, es sollte keine neuen Songs mehr geben. Josef Prokopetz und Manfred Tauchen waren danach in Österreich weiter gefragte Künstler, hatten sowohl musikalisch, als auch schauspielerisch Erfolg. In Deutschland blieben sie fast ausschließlich auf ihr Engagement bei DÖF reduziert, dessen Bekanntheit aber mit dem Ende der NDW fast gänzlich verblasste.
Sängerin Inga Humpe und Produzentin Annette Humpe sollten weiter musikalisch großen Erfolg haben. Als Humpe und Humpe waren sie in den späten 80ern als Duo mit englischsprachigen Songs erfolgreich, später in den 90ern und 2000ern vor allem mit ihren Projekten Ich und Ich und Zwei-Raum-Wohnung.
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