Mike Oldfield - Shadow on the Wall
Mike Oldfield. Shadow on the Wall. Schatten der Vergangenheit.
Es geschieht vermutlich Anfang 1983. Roger Chapman sitzt mit einem Freund bei einem Bier in einer Kneipe, als dieser den Sänger fragt: “Sag mal, könntest du dir vorstellen, bei einem Song von Mike Oldfield den Gesangspart zu übernehmen?” Das fragt er nicht einfach so aus heiterem Himmel – Mike Oldfield hatte ihn darum gebeten. “Ja”, antwortet der Rocksänger, “könnte man schon machen.”
Diese Art der Kontaktaufnahme ist schon eher ungewöhnlich. Denn ich bin mir ziemlich sicher, dass Mike Oldfield damals Roger Chapmans Telefonnummer hatte. Und selbst wenn nicht: Er wäre für ihn ein leichtes gewesen, sie zu besorgen, um dann selbst zum Hörer zu greifen. Denn Mike Oldfield war zu dieser Zeit keineswegs ein Unbekannter. Sein bombastisches Debüt-Album “Tubular Bells” hatte sich gut 10 Jahre zuvor Millionen Mal verkauft. Und seitdem hatte er weitere Nummer-1-Alben und Hits geliefert. Mike Oldfield war jemand, bei dem andere Künstler Schlange standen, um mit ihm zusammenzuarbeiten. Warum also wählte er diesen Umweg über einen Freund von Roger Chapman?
Okay, ein Grund für den ungewöhnlichen Anfrageweg könnte Roger Chapmans Temperament gewesen sein. Denn Roger Chapman galt als Raubein, als... sagen wir mal... schwieriger Zeitgenosse, energiegeladen und unberechenbar. Dazu passte seine Vorliebe für Scotch und Bier. Doch der wahre Grund war ein ganz anderer...
Roger Maxwell Chapman, von seinen Fans auch „Chappo“ genannt, wuchs in schwierigen Verhältnissen auf. Einige Zeit lebte er im Heim und wurde schließlich von seinen Großeltern aufgezogen. “Ich bin in sehr, sehr armen Verhältnissen aufgewachsen”, erzählt er in einem Interview. Mit 15 Jahren beginnt Roger Chapman eine Ausbildung als Maler und Dekorateur, die er jedoch nach kurzer Zeit abbricht. Auch bei seinem Job als Stahlbetonbauer wird er schnell wieder entlassen. “Ich hatte ein Problem, Autoritäten zu akzeptieren”, sagt er. Irgendwann während dieser Zeit lässt Roger Chapman sich auch die Worte "LOVE” und “HATE” auf seine Fingerknöchel tätowieren. Während vieles schwierig ist, gibt es seit seiner Jugend immer eine Konstante, einen Halt und eine große Liebe, die sein Leben lang hält: Die Musik.
Schon mit 15 Jahren versucht Roger Chapman sich als Straßenmusiker mit Freunden. Einige Zeit später wird er der Frontmann von The Family – und damit richtig erfolgreich! Ihre Alben verkaufen sich in Großbritannien gut, ihre Singles ebenso. Ihr größter Hit: “In My Own Time” erreicht 1971 Platz vier.
Trotz des Erfolgs: Mit Roger Chapman zu arbeiten, ist nicht einfach. Musikerkollegen berichten, dass sie sich auf ihn und seine Art einstellen mussten. The Family muss einige Umbesetzungen überstehen. Unter anderem sucht die Band irgendwann einen neuen Bassisten. Und einer, der sich für diesen Posten bewirbt und zu einem Casting erscheint, heißt Oldfield, Vorname Mike. Das war vor seinem Durchbruch. Es ist nicht überliefert, was bei diesem Casting und dem Aufeinandertreffen von Roger Chapman und dem blutjungen Mike Oldfield geschieht. Fakt ist: Mike Oldfield wird nicht genommen.
Als Roger Chapman Jahre später darauf angesprochen wird, erinnert er sich nicht einmal mehr daran. Ganz im Gegensatz zu Mike Oldfield, für den die Absage geradezu traumatisierend gewesen sein muss. Und zwar so schlimm, dass Mike Oldfield sich viele Jahre später offensichtlich nicht traut, Roger Chapman persönlich nach einer Zusammenarbeit zu fragen. Und damit nicht genug...
Denham ist ein kleines Dorf, knapp 30 Kilometer vom Londoner Zentrum entfernt. Hier nimmt Mike Oldfield in einem Tonstudio Teile seines Albums “Crisis” auf – darunter auch “Shadow on the Wall” mit Roger Chapman am Mikrofon. Doch die Aufnahmen verlaufen alles andere als harmonisch.
Mike Oldfield ist einfach nicht zufrieden mit Roger Chapmans Performance. Egal, mit wieviel Energie er seine Zeilen auch schmettert... jedes Mal bekommt er das gleiche Feedback von der anderen Seite der Studio-Scheibe: "Noch mal, bitte..."
Irgendwann, zu später Stunde, ist Roger Chapman nicht nur mit den Nerven am Ende – auch seine Stimme kann nicht mehr... und er schmeißt das Handtuch. "Sorry, wenn das nicht reicht, besser geht es nicht."
Tatsächlich geht es Mike Oldfield bei den vielen Wiederholungen gar nicht um seinen Song. Einen guten Take für “Shadow on the Wall” hatte er schon längst im Kasten. Erst später auf die Aufnahmesession angesprochen, gibt er zu: Er quälte Roger Chapman im Studio als Rache dafür, dass dieser ihn vor vielen Jahren beim Casting abblitzen ließ.
Ganz schön krass eigentlich, dass Mike Oldfield nach so vielen Jahren und trotz seiner erfolgreichen Karriere dem Sänger noch eins auswischen wollte. Wobei, wie gesagt, wir wissen nicht, was damals beim Casting wirklich geschah.
Dem Erfolg des Songs hat das nicht geschadet: “Shadow on the Wall” wird ein Hit, steigt in der Bundesrepublik auf Platz 3 und in England auf Platz 1.
Kein Wunder aber, dass es trotz des Erfolgs nie wieder zu einer Zusammenarbeit zwischen Mike Oldfield und Roger Chapman kam...
Jahr: 1983
Länge: 3:07
Album: Crisis
Lable: Virgin
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Zu fast jedem großen Hit der 80s gibt es eine Geschichte. Und wenn jemand diese Stories kennt, dann Peter Illmann. Im Podcast erzählt er die spannendsten, unglaublichsten und schönsten Geschichten zu den 80s-Hits, die ihr liebt. Jede Woche gibt´s eine neue Folge - viel Spaß!
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ROCK
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