Paul Hardcastle - 19
Paul Hardcastle. Nineteen. Krieg auf der Tanzfläche.
Anti-Kriegs-Songs hatten eigentlich immer einen ganz bestimmten Sound. In den 60er und 70ern entstanden langsame, melancholische Songs, sowie zum Beispiel Buffalo Springfields "For What It’s Worth. Oder George Harrisons "Give Me Love".
Anfang der 80er wurden die Anti-Kriegssongs dann wütender. Und diese Wut brauchte einen passenden Sound - Rockmusik! Da waren zum Beispiel U2 mit "Sunday Bloody Sunday" und Bruce Springsteens "Born In The USA".
Und dann… kam Paul Hartcastle und sollte dem Anti-Kriegslieder noch mal einen völlig neuen Sound verpassen.
London, Anfang 1985. Keyboarder und Produzent Paul Hardcastle sitzt zuhause und liest die Zeitung. Als er bei den Fernsehprogrammhinweisen angelangt ist, stolpert er über eine Dokumentation zum Vietnamkrieg, die später ausgestrahlt werden soll. Paul Hardcastle programmiert seinen Videorekorder, um die Sendung nicht zu verpassen.
Später schaut sich Paul Hardcastle die Doku namens "Vietnam Requiem" an. Sie erzählt die Geschichte von fünf jungen Männern, die in den Vietnamkrieg ziehen. Nach ihrer Rückkehr nicht mehr in der Lage, ein normales Leben zu führen. Alle Fünf geraten auf die schiefe Bahn und landen im Gefängnis. Der Film bezeichnet Männer darum als Victims of War, also Kriegsopfer.
Doch beim 27 Jahre alten Paul Hardcastle brennt sich eine ganz andere Aussage der Dokumentation besonders ins Gehirn: Das Durchschnittsalter der im Krieg kämpfenden US-Soldaten betrug in Vietnam19 Jahre. Eine schockierende Zahl. Vor allem, wenn man bedenkt, dass man in den USA mit 19 weder in eine Diskothek darf, noch irgendwo ein Bier oder ein Glas Wein trinken. Aber in den Krieg ziehen - klar, kein Problem.
Zurück im Studio hat Paul Hardcastle plötzlich eine Idee. Er spielt den Satz aus der Vietnamkriegsdokumentation in seinen neuen Sampler ein und beginnt zu experimentieren…
Dann kombiniert Paul Hardcastle dieses stakkatohaft gespielte Sample mit der Songidee, an der er gerade bastelt. Neben dem wiederkehrenden Satz wählt Paul Hardcastle noch weitere Passagen aus der Dokumentation für den Song. Das 19-Sample unterlegt er später noch mit einem Frauenchor. Fertig. Der Song heißt dann auch, na klar, 19.
Paul Hardcastle ist begeistert von seinem Werk. Zugleich ist er aber auch realistisch genug. Denn damals spielten die großen englischen Radiostationen wie Radio One wenig Dancetracks. Und sein "19" war nicht nur ein Dancetrack, er handelte auch noch von sterbenden jungen Männern.. Krieg auf der Tanzfläche? Das war nicht das Material, aus dem Hits gemacht wurden...
"19" von Paul Hardcastle erscheint Ende April 1985 - zum 10. Jahrestags des Vietnamkriegsendes. Zu Paul Hardcastles Überraschung interessieren sich die Medien wie wild für den bis dato wenig erfolgreichen, jungen Musikproduzenten und seinen neuen Song.
"19" stürmt in 13 Ländern auf Platz 1. In den britischen Charts sind ihm Duran Duran mit ihrer James Bond-Nummer "A View To A Kill" dicht auf den Versen. Um weiter auf dem Chart-Tron zu bleiben, hat Paul Hardcastle eine geniale Idee: Er remixed „Nineteen“ mit anderen Samples und Audiosequenzen aus der Vietnamdokumentation und veröffentlicht den Song mehrmals neu. So ist er jede Woche mit einem neuen Remix bei „Top of the Pops“, im Radio und auch in den Plattenläden. Die Folge: Paul Hardcastle bleibt 5 Wochen auf Platz 1 der Charts. Und Duran Duran? Die haben ausgerechnet in ihrer Heimat und kommen sie nicht an „19“ vorbei.
In den USA schafft es „19“ auf Platz 15 der Billboardcharts. Das ist durchaus beachtlich, denn viele US-Radiostationen boykottieren den Song damals aus politischen Motiven. Heute ist Paul Hardcastles „19“ ein Stück Musikgeschichte: Der Song brachte den Vietnamkrieg auf die Tanzflächen und somit auch in die Köpfe von Millionen junger Menschen. Und der Electro-Funk-Sound von „19“ ist auch heute noch mitreißend.
Technisch war die Produktion Mitte der 80s komplex. Der Sampler von Paul Hardcastle konnte nur zwei Sekunden verarbeiten. Im Vergleich zu heutiger Rechnerleistung erscheint das wie ein Witz. Der kurze Titel - nineteen - konnte also grade noch eingelesen werden, und so entstand das charakteristische und kurze "19".
"19" wurde von Paul Hardcastle, William Coutourie, Mike Oldfield und Jonas McCord geschrieben, wobei insbesondere Mike Oldfield auch dem breiten Publikum bekannt ist. Allerdings muss gesagt werden, dass Mike Oldfield seine Nennung vor Gericht eingeklagt hat. Er war der Meinung, dass "19" Ähnlichkeiten zu seinem "Tubular Bells" habe. Das Gericht stellte sich auf seine Seite. Seit dieser Entscheidung muss Mike Oldfield als Schreiber genannt werden.
Jahr: 1985
Länge: 4:39
Album: Collection
Label: Universal
Peters Pop Stories
Zu fast jedem großen Hit der 80s gibt es eine Geschichte. Und wenn jemand diese Stories kennt, dann Peter Illmann. Im Podcast erzählt er die spannendsten, unglaublichsten und schönsten Geschichten zu den 80s-Hits, die ihr liebt. Jede Woche gibt´s eine neue Folge - viel Spaß!
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Paul Hardcastle im BBC-Interview
IN THE MIX
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"19" ist ein Anti-Kriegssong den DJs lieben. Hier anhören: 80s80s IN THE MIX.