Extrabreit "Polizisten"
Es ist kalt am Morgen des 28.Februar 1981. Es weht ein eisiger Ostwind und die Temperaturen sind weit unter dem Nullpunkt. Doch das hält gut 100.000 Menschen nicht auf. Sie demonstrieren gegen den Bau des Kernkraftwerkes Brokdorf.
Unter ihnen ein 23-jähriger Mann aus Hagen. Ein junger, dünner Bursche mit schwarzen Haaren. In seinem Perso steht der Name Kay-Oliver Schlasse, aber einer seiner Bandkollegen hat ihn Kai Havaii getauft. Der Sänger von Extrabreit erlebt an diesem Tag am eigenen Leib mit, wie die Polizei mit den Demonstrierenden umgeht. Als am Bauzaun Molotowcocktails, Stein und Starkkugeln fliegen, antwortet die Polizei mit Wasserwerfern. Am Ende gelten 39 Polizisten und eine unbekannte Zahl Demonstranten als verletzt. 40 Personen festgenommen. Die Tagesschau wird um 20 Uhr 15 berichten, dass es "lediglich zu einigen gewaltsamen Ausschreitungen" kam.
Ich selber war damals nie auf Demo. Vielleicht, weil ich aus einem sogenannten gutbürgerlichen Haus komme… und auch, weil ich mir erst Jahre später klar wurde, wie gefährlich Kernenergie werden kann. Ich meine, die Demos in Brokdorf, das war ja sogar noch vor dem katastrophalen Unfall in Tschernobyl.
Kai Havaii hingegen geht damals regelmäßig auf Anti-Atomkraft-Demos und tritt dort auch mit Extrabreit auf. Die Ereignisse beschäftigen ihn - das Aufrüsten der Polizei und ein Staat, der seine Bürger immer stärker überwacht.
Tja, und wie das so ist als Künstler, wenn einen etwas bewegt: Mit seinen Erfahrungen im Kopf schreibt er 1981 den Song "Polizisten". Das Lied ist es kein typischer Extrabreit-Song. Bevor Kai Havaii anfängt zu singen, beginnt ein 30-sekündiger Basslauf und der Refrain setzt sogar erst nach satten zwei Minuten ein – ziemlich kantig und erstmal gar kein Mainstream. Doch der Track trifft den Zeitgeist und wird ein Erfolg. "Polizisten" hält sich 21 Wochen in den deutschen Singlecharts. Doch er wird für die Band ein ganz persönliches Nachspiel haben.
Wenn Kai Havaii 1982 die Tür seiner WG öffnet, stehen da gerne mal Polizisten im Treppenhaus – Hausdurchsuchung! Das kam leider nicht nur einmal vor und war vor allem deswegen nicht ohne, weil bei Kai Havaii und seinen Kollegen öfter mal gewisse Substanzen gefunden wurden. Das bedeutete dann gerne mal: Festnahme und ab aufs Polizeipräsidium. Die Frage "Wie viel Kohle habt ihr eigentlich mit eurem Scheiß Song gemacht?" war nach Kai Havaiis Aussage genau so üblich wie die Androhung von Prügel.
Klingt krass, aber… naja… wenn ich damals ein Polizist gewesen wäre, ich glaube, mir hätte der Text erstmal auch nicht geschmeckt. So heißt es zum Beispiel: "Polizisten schießen, wenn sie wissen, dass sie müssen". Oder anderer Stelle: "Polizisten speichern, was sie wissen, elektronisch ein".
Nachdem ihr Song "Polizisten" erschien, wurde die Band von der besungenen Berufsgruppe, ich möchte fast sagen, malträtiert. Die Jungs von Extrabreit fuhren nach Bandproben nach Hause, da warteten vor der Hauseinfahrt schon dein Freund und Helfer. "Guten Abend, Alkohol-Kontrolle …". Das Extrabreit zu diesem Zeitpunkt ihr absolutes Karrierehoch hatten – inklusive ausverkaufter Konzerthallen, goldenen Schallplatten und BRAVO-Titelseiten – war den Ordnungshütern egal.
Und selbst in Teilen der Politik sorgte der Song für Unruhe: Der damalige bayrische Ministerpräsident Franz-Josef Strauß veranlasste nämlich, dass der Song beim bayrischen Rundfunk nicht gespielt werden durfte. Begründung: "Verunglimpfung von Staatsorganen".
Gab´s früher viel Ärger, gibt´s heute viel Lob. Denn inzwischen existieren diverse Remixe und Coverversionen, sogar Heino veröffentlichte 2013 eine eigene Version von "Polizisten" auf der Bonus-Edition seines Albums "Mit freundlichen Grüßen".
Heute halten Polizisten die Jungs von Extrabreit eher an, um ein Selfie mit ihnen zu machen. Kai Havaii war übrigens immer der Ansicht, dass sein Text falsch verstanden wurde. Denn Extrabreit habe sich nie als politische Band gesehen, sondern als gesellschaftskritische. So werden in dem Lied Polizisten und deren Arbeit zwar explizit genannt, aber nur beschrieben und in keiner Weise kritisiert.
Kai Havaii sagt, er wollte seinen Zuhörern einfach die psychologische Spannung der Polizeisituation deutlich machen: Einerseits pflichtbewusste Staatshüter, andererseits Familienväter und einfach nur … Menschen!
Jahr: 1981
Länge: 5:22
Album: Welch ein Land! – Was für Männer!
Label: Reflektor Z
Peters Pop Stories
Zu fast jedem großen Hit der 80s gibt es eine Geschichte. Und wenn jemand diese Stories kennt, dann Peter Illmann. Im Podcast erzählt er die spannendsten, unglaublichsten und schönsten Geschichten zu den 80s-Hits, die ihr liebt. Jede Woche gibt´s eine neue Folge - viel Spaß!
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