Rockwell: "Somebody's Watching Me"
Im Jahr 1982 ist Berry Gordy ist längst eine Legende. Der 52-jährige ist nicht nur ein erfolgreicher Songwriter, er ist auch der Gründer des bekanntesten Soul- und R&B-Labels der Welt: Motown. Bei ihm sind die Allergrößten der Szene unter Vertrag: Stevie Wonder, Diana Ross, Marvin Gaye, Die Temptations, Smokey Robinson und… die Jackson Five.
In L.A. hat Berry Gordy eine Villa. Das ist für ihn nichts Besonderes: ein kleines Wäldchen, Pool mit eigenem Poolhouse und ein paar Zimmerchen mehr als man bewohnen kann. Das Übliche in diesen Kreisen. Die Nachbarn werden später sogar sagen, dass Berry Gordy eher selten hier gewesen ist. Kein Wunder. Berry Gordy hat ja auch noch Villen in Detroit und Malibu. Und was Berry Gordy auch hat, ist ein Sohn, der musikalisch äußerst begabt ist.
Der hört - noch – auf den Namen Kennedy William Gordy und kommt eines Tages aufgeregt mit einem eigenen Demo-Song in die Villa seines Vaters gestürmt. Sein Werk hat er in seinem kleinen Ein-Zimmer-Apartment auf einem noch viel kleineren 4-Spur-Recorder aufgenommen. Sein Vater Berry Gordy hat schon hunderte Songs gemacht, viele erfolgreiche Künstler unter Vertrag genommen… der Mann erkennt einen Hit sofort!
Nachdem er sich den musikalischen Erguss seines Sohnes angehört hat – eine funkige Pop-Nummer – ist seine Reaktion allerdings nicht die, die Kennedy William Gordy sich erhofft hatte. Im Gegenteil: “Mein Vater sagte so was wie: ‘Ja, ja, ist ganz okay’”, so beschreibt Rockwell zumindest Jahre später in einem Interview die Situation. Und weiter: "Aber gib’ besser deinen jetzigen Job nicht auf. Bleib’ dran … Schreib’ weiter … Irgendwann wird bestimmt was draus."
Kennedy William Gordy ist am Boden zerstört. Denn er ist davon überzeugt, dass genau dieser Song das Potential zu einem echten Hit hat.
Ich erinnere mich daran, dass auch ich den Rockwell-Song sofort sehr mochte, als er dann später, 1984, rauskam. Ich fand das auch sehr passend, im “George Orwell”-Jahr – Stichwort: “Big Brother is watching you” - einen Song rauszubringen, der “Somebody’s Watching Me” heißt.
Bis die Nummer aber tatsächlich auf Vinyl gepresst wird, vergeht in unserer Geschichte noch ordentlich Zeit. Denn Kennedy William Gordy hatte damals schon eine Menge Songs geschrieben. Die allerdings – so meint er selbst – sind zu dieser Zeit bestenfalls “mittelmäßig”.
Eines Tages fällt der frustrierte Teenager dann auf die Knie - nicht im Übertragenen Sinn, sondern buchstäblich. Er will sooo unbedingt einen Hit schreiben, dass er Gott anfleht, ihm die Kreativität für einen Song zu schenken, der es ganz bis an die Spitze der Charts schaffen kann.
Irgendwie hat Gott wohl seine Gebete erhört. Denn die nächsten beiden Tage sitzt Kennedy William Gordy auf dem Boden seines Schlafzimmers und werkelt an unserem besagten Song. Er findet ihn großartig und spielt ihm zuerst einem Schulfreund vor. Dieser Schulfreund ist übrigens niemand Geringeres als Lenny Kravitz!
Lenny Kravitz hört die Nummer und findet sie ebenfalls toll. Allerdings passt der Song musikalisch nicht so richtig zu ihm. Und obwohl er weiß, dass Kennedy William Gordys Vater als Boss von Motown ihn in einen großen Star verwandeln könnte, lehnt er nach langem Überlegen schließlich ab: Kennedy William Gordy soll ihn doch selbst singen.
Kennedy William Gordy hat er noch ein paar prominente Freunde - und zwar die Jacksons!
Die sind – wie gesagt – nicht nur beim Label seines Vaters unter Vertrag, sondern teilweise auch mit ihm zur Schule gegangen. Außerdem war seine Schwester Hazel mit Jermaine Jackson verheiratet. Als nächstes spielt er ihnen den Song vor.
Neun ganze Male performt Kennedy William Gordy ihn allein für Jermaine Jackson. Als plötzlich dessen Bruder Michael Jackson vorbeikommt und auf den Song aufmerksam wird. Auch er will, dass Kennedy William Gordy ihm die Nummer vorspielt. Wieder und wieder. Zwischendurch ruft Michael Jackson sogar immer wieder irgendwelche Leute an, um denen begeistert von dem Song zu erzählen. Am Ende dann fragt Michael Jackson ganz aufgeregt: Wer soll denn bei der Nummer den Background-Gesang machen?
Die Antwort von Kennedy William Gordy: "Öhm … wie wär’s denn mit dir?" Michael Jackson sagt zu… und singt mit seiner unverwechselbaren Stimme den ganzen Refrain. Jermaine Jackson macht auch mit – er bleibt allerdings tatsächlich im Background.
Das also ist die “Demo”-Version, von der ich vorhin gesprochen habe. Der Song mit dem Kennedy William Gordy zu seinem Vater, dem Motown-Chef, geht, und der von Vater Berry Gordy wegen zu wenig erkennbarem Hitpotential abgelehnt wird. Nicht nur deswegen allerdings.
Auch eine andere Überlegung spielt für Berry Gordy eine wichtige Rolle: Wenn Berry Gordy seinem Sohn nämlich einen Plattenvertrag bei seinem eigenen Label geben würde, dann würde das doch sehr nach Vetternwirtschaft aussehen.
Doch Kennedy William Gordy bekommt trotzdem einen Deal bei Motown Records – mit einem Trick! Ein Jahr später gibt er sich nämlich einen Künstlernamen, den Namen seiner ehemaligen Schülerband: Rockwell. So kann er geschickt den Fakt verschleiern, dass er der Sohn des Plattenbosses ist.
Unter dem Namen Rockwell schickt er sein Demo an Motown - und kann nur wenig später einen Vertrag unterzeichnen, zunächst ohne, dass sein Vater etwas davon weiß. Als er es dann doch rausfindet, tickt er völlig aus. Warum genau? Das weiß Rockwell bis zum heutigen Tage nicht: "Keine Ahnung, welche Vorbehalte mein Vater gegen meinen Plattendeal hatte", sagt er später. Als die Rockwell-Single endlich erscheint, klettert sie direkt bis auf Platz 2 der Billboard Charts.
Und bis heute weiß nicht jeder, wer da mit Rockwell singt. Das lag an Rockwell selbst. Als damals das Vinyl erschien, stand nämlich weder Michael Jacksons noch Jermaine Jacksons Name drauf. Rockwell wollte nämlich nicht, dass sich die Platte nur wegen der berühmten Jacksons verkaufte.
Geklappt hat’s auf jeden Fall: "Somebody’s Watching Me" wurde weltweit ein Riesenhit - und bescherte Rockwell jede Menge Fans, darunter auch einen ganz besonderen: Seinen Vater Berry Gordy. Der präsentierte Rockwell nun all seinen Freunden und empfand plötzlich nur noch Stolz für seinen Sohn.
Jahr: 1984
Länge: 3:35
Album: Somebody's Watching Me
Label: Motown
Peters Pop Stories
Zu fast jedem großen Hit der 80s gibt es eine Geschichte. Und wenn jemand diese Stories kennt, dann Peter Illmann. Im Podcast erzählt er die spannendsten, unglaublichsten und schönsten Geschichten zu den 80s-Hits, die ihr liebt. Jede Woche gibt´s eine neue Folge - viel Spaß!
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