"Nackt im Wind" wird 40!

"Nackt im Wind" – ein Song, der im Deutschrock-Universum wie ein heller Stern leuchtet. Eine Hymne, die nicht nur Musik sein sollte, sondern ein kraftvolles Statement für Solidarität und Menschlichkeit. Es war vor nunmehr 40 Jahren, als sich in Deutschland eine Gruppe von Künstlern zusammenschloss, um etwas gegen die wachsende Bedrohung durch Hunger und Armut in Teilen von Afrika zu tun. Inspiriert von internationalen Projekten wie "Do They Know It’s Christmas?" (und "We Are the World" wollten die Musiker nicht bloß zusehen, sondern aktiv etwas bewegen.

Wolfgang Niedecken hat uns im Interview erzählt, wie die Aktion gestartet ist. Initiator der Aktion war laut Wolfgang Niedecken übrigens der legendäre Nena-Art Director Jim Rakete. Der umtriebige Fotograf war in der Szene für seine meist in Schwarz-Weiß gehaltenen Porträtfotografien von Prominenten bekannt und geschätzt. Viele Band verknüpfen ihren Erfolg mit der Arbeit von Jim Rakete, der ein Händchen für die Inszenierung von Musiker hat. Jim Rakete griff also zum Telefonhörer und startete den großen Rundruf. Wolfgang Niedecken, der sich zu der Zeit im Skiurlaub befand, erkannte sofort, wie gut die Idee war. Und er hatte sogar schon eine Idee für einen Song.

Trotz aller Zielstrebigkeit und guter Zusammenarbeit. Im Studio spielten sich bunte Szenen ab: Peter Maffay tauchte mit seiner Gitarre auf und improvisierte an der Melodie, während Udo Lindenberg, immer mit Hut und Sonnenbrille, in einer Ecke saß und an seinen Textzeilen feilte. Nena brachte mit ihrer lebhaften Art eine jugendliche Leichtigkeit ins Spiel, während Wolfgang Niedecken, der Meister der tiefgründigen Texte, über die Bedeutung jedes Wortes diskutierte. Herbert Grönemeyer hatte die Rolle des Dirigenten übernommen – ein ruhiger, aber bestimmter Leader, der die Musiker immer wieder daran erinnerte, warum sie hier waren.

Manche Momente waren filmreif. Es gab spannende Diskussionen über Harmonien, Tempi und die emotionale Intensität des Songs. Udo Lindenberg bestand darauf, dass man in seinem Part "mehr Straße" hören müsse – es sollte rau und direkt klingen, so wie die Realität. Nena Kerner hingegen wollte, dass ihr Part zart, fast hoffnungsvoll klingt. Irgendwo dazwischen fanden sie den Ton. Am Ende wurde der Song über 5 Minuten lang. Die sogenannte "Ur-Version" von Wolfgang Niedecken war halb so kurz. Es gelang den Deutschrockern wohl nicht, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Als "Nackt im Wind" schließlich veröffentlicht wurde, ging die Single nicht an die Spitze unserer Charts: Platz 3. Auf Platz 1 stand "Do They Know It's Christmas?" von Band Aid, dem internationalen Benefizprojekt, das als Inspiration für "Nackt im Wind" diente. Ein würdiger Gewinner. Aber auf dem zweiten Platz fanden sich Duran Duran mit "The Wild Boys". Die hatten ihre wilde New Wave-Phase zu diesem Zeitpunkt schon hinter sich gelassen und waren zu weltweiten Pop-Posterboys geworden. Für Wolfgang Niedecken und Herbert Grönemeyer muss es schmerzhaft gewesen sein, ausgerechnet hinter Duran Duran zu liegen.

Von der Single wurden knapp 150.000 Exemplare verkauft. Es wurde also ein direkter Spendenerlös von rund 300.000 D-Mark erreicht. Die Einnahmen aus dem Projekt flossen direkt in den Kampf gegen den Hunger in Afrika. Aber auch hier gab es nicht nur Erfolge zu vermelden. Ulla Meinecke war in der Musiksendung "Formel Eins" (link: /erste-formel-eins-show-1983 fordernd aufgetreten: "Bei dieser Single ist es so, dass eigentlich erstmalig und im Gegensatz zu manchen anderen Benefiz Platten die im Fernsehen so hingehalten werden, alle Einnahmen abgeführt werden. Das heißt nicht nur die Anteile für die Künstler oder die Plattenfirma sondern auch die GEMA. Es wär' natürlich ganz toll wenn der Handel da auch mitziehen würde. Wir können nur dazu auffordern, dass sie ihre Handelsspanne nun auch noch in den Topf werfen." Diese Aufforderung wurde vom Handel "überhört", wobei sie auch als naiv kritisiert wurde. Es gab überhaupt keine sinnvolle Struktur, die Einnahmen des Einzelhandels zu erheben.

Nach der Erfahrung könnte man sich fragen, ob Wolfgang Niedecken so ein Projekt heute noch einmal umsetzen würde. Seine Antwort: "da kommen ja ständig Anfragen... Es wäre ja schön, man schreibt ein Lied und das Problem ist gelöst, das ist leider nicht so."

Kritisiert wurde, wie auch bei den beiden internationalen Projekten, die völlig unkritische Gleichmacherei um den Kontinent Afrika. Da waren zum Beispiel Artists United Against Apartheid wenige Monate später viel differenzierter, als sie sich gegen das Apartheitsregime im südlichen Afrika aussprachen.

"Nackt im Wind" von Band für Afrika war der Versuch, eine lokale Version von wie "Do They Know It’s Christmas?" und "We Are the World" ins Rennen zu schicken. Das Projekt war dann - typisch Deutschland - etwas "verkopft". Es fehlte die spontane Lebendigkeit von Band Aid und den Machern Bob Geldof und Midge Ure. Und eventuell hätte die Platte auch moderner klingen müssen, um sich in den Charts gegen Bands wie Duran Duran durchsetzen zu können.